Generatives Design: Ein schlafender Riese erwacht.

●Was ist eigentlich los im Bereich Processing? Zur Erinnerung: Als ambitioniertes Schulungsprojekt hatte die junge objektorientierte Programmiersprache und Entwicklungsumgebung angefangen und machte schon bald Furore: 2003 von den Projekt-Initiatoren Ben Fry und Casey Reas als offene Beta auf der Ars Electronica gelauncht und 2005 mit einem Prix Ars Electronica ausgezeichnet, mischte Processing spätestens mit dem Release von Version 1.0 im November 2008 die Designszene auf. Dann aber richtig, denn die mit der IDE erzeugten beweglichen, interaktiven, oft hochkomplex anmutenden Animationen waren fast verstörend schön – angeblich programmiert von Leuten, die sonst bei dem Wort »Programmierung« zu zischen begannen wie verschreckte Wildgänse …
Processing war ja auch entwickelt worden, um angehende oder gestandene, nicht gerade Coding-affine Profis aus den Bereichen Editorial und Grafikdesign behutsam an den Umgang mit Java und C++ heranzuführen. Wer sich eher im Digital Design zuhause fühlte, machte dann natürlich abgefahrene digitale Kunst zum Staunen draus.
Jedenfalls erlebten Trends rund ums Creative Coding und Generative Design mit Processing einen echten Schub – und über das Wiring-Projekt der Processing Foundation taten sich bald auch fruchtbare Verbindungen zur Tinkering-Gemeinde auf: Arduino und Fritzing erregten die Gemüter von Physical-Computing-Tüftlern, Wearable-Schneidermeisterinnen und Konsorten.

Auch wenn Designbüros, Digitalagenturen und Interactive-Schmieden die IDE immer noch fürs Prototyping nutzen – was hört man sonst von Processing? Das letzte Bugfix-Release auf Version 2.2.1 erfolgte im Mai 2014. Das ist schon eine ganze Weile her – die letzte grundlegende Überarbeitung der Sprache im Rahmen des Updates auf Version 2.0 fand im September 2012 ihren fulminanten Schlusspunkt (Cedric Kiefer kommentierte damals in WEAVE 06.12).
Sicher spielt Processing an Hochschulen und Akademien eine gewisse Rolle, um in Bachelor- und Masterstudiengängen im Bereich Design den Einstieg in die Programmierung niedrigschwellig zu gestalten. Man braucht sich nur durch die vielen Sketches der Community-Mitglieder auf OpenProcessing zu klicken: Weltweit üben sich angehende und erfahrene Künstler, Gestalter und Digital Designer dort im Umgang mit der Programmiersprache und laden interaktive Grafiken, Simulationen und Animationen hoch.
Also doch nur der Schlaf eines virtuellen Riesen, der sich mit einem Mouseover über die im REM-Rhythmus hin- und herwogenden Augenlieder wecken ließe?
Still und leise ist das Know-how im Bereich generative Gestaltung teils hochkomplexer interaktiver animierter Grafiken mittels Processing und Processing.js eingesickert in die Agenturen und Designbüros. Und ins Bewusstsein der Kunden und User!
Damit aber wird es Bestandteil des Tagesgeschäfts. Es sind nicht mehr nur Museen oder hippe Festivals, die generative Konzepte anfragen, um abgefahrene Cutting-Edge-Interaktionen zu bedienen. Wie also integriert man Aspekte generativen Designs in Brot-und-Butter-Aufträge – etwa in Printkampagnen und edle Editorial Designs oder in moderne Marken- oder Firmenlogos? Was ist mit interaktiven Messeterminals oder Lichtdesigns auf Events oder im Bereich Bühnenbild? Von illustrativen visuellen Effekten im Web- oder Mobile-Design, mit denen man vielleicht die Sympathie möglicher Auftraggeber weckt, ganz zu schweigen …
Editorial Designer, Buchgestalter sowie Web- und Interactive Designer, die sich gerade fragen, was sie ihren Kunden anbieten wollen, wenn die nach generativen Designkonzepten verlangen, finden im PAGE eDossier »Generative Gestaltung mit Processing & Co« Antworten. Diese Themen erwarten Sie:
● Wie sich Processing in konkreten digitalen Projekten (Stichwörter »Leap Motion«, »3D Video Websites« und »Gestalten mit Logarithmen«) einsetzen lässt, demonstrieren Cedric Kiefer, Christian Loclair, Jesse Scott und Philipp Sackl in unserem PAGE eDossier »Generative Gestaltung mit Processing & Co«.
●Für Konzepter und Designer im Bereich Print dürfte der Beitrag zum Thema basil.js interessant sein, denn mit der JavaScript-Library lassen sich auch ohne umfassende Programmierkenntnisse in InDesign Plakate, Datenvisualisierungen und sogar komplexe Buchprojekte generativ umsetzen. Lesen Sie unseren Report über die Entwicklung des Tools und lernen Sie seine Funktionsweise Schritt für Schritt kennen!

Hier gelangen Sie zum PAGE eDossier »Generative Gestaltung mit Processing & Co« …
Übrigens hält auch die Processing Foundation höchstens mal Siesta. Zu den gegenwärtigen Top-Prioritäten der Entwicklergemeinde, so steht es im Forum auf Processing.org zu lesen, gehört zum Beispiel die zuverlässige Einbindung eines WebGL-Renderers in die Processing/JavaScript-Library p5.js, das jüngste Projekt der Processing Foundation. Mit p5.js lassen sich die interaktiven Animationen, die mit Processing möglich sind, nun auch im Browser gestalten und ausführen.
Mehr dazu gibt’s schon bald auf PAGE Online oder in einer der zukünftigen Printausgaben von PAGE.